Die Folgen der Trennung von Wissenschaft und Spiritualität
Von: Stefan Andromis Herbert
Datum: 23.10.2020
In der letzten Zeit habe ich mich mit vielen unterschiedlichen Menschen über das Coronavirus und die aktuelle Situation ausgetauscht. Die einen sagen, dass es keine krankmachenden Viren gibt und andere fürchten die größte Verschwörung der Welt. Und dann sind da jene, welche große Angst davor haben, selbst infiziert zu werden, zu erkranken und das die Verbreitung des Virus außer Kontrolle gerät.
Gerade die sehr ängstlichen Menschen interessierten mich am meisten und ich versuchte ihre Sichtweise zu verstehen. Für sie ist da ein Virus, das sich von Mensch zu Mensch verbreiten kann, ohne dass man es bemerkt. Jede Begegnung mit einem Mitmenschen kann also schon gefährlich sein, denn eine Ansteckung kann zu jeder Zeit und überall zufällig geschehen.
Neben dieser Angst zufällig und ohne das man es verhindern kann, infiziert zu werden, ist das Gefährlichste aus meiner Sicht die Art und Weise der Verbreitung. Im schlimmsten Falle steckt ja nicht nur eine Person eine weitere an, sondern gleich mehrere. Und wenn diese ebenfalls viele weitere anstecken, multipliziert es sich auf exponentielle Weise. Da dies in Kürze der Zeit nicht mehr kontrollierbar erscheint, macht das Virus verständlicherweise noch mehr Angst.
Über die Angst, zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, sich zu infizieren und zu erkranken, habe ich bereits einen Beitrag verfassst (siehe hier). Hier möchte ich über eine für mich grundlegende Ursache der Angst sprechen. Denn es gibt auch Menschen, die keine Angst vor dem Virus haben. Nicht weil sie an ihn nicht glauben, sondern, weil sie Vertrauen darin haben, sich nicht anzustecken, damit nicht zu erkranken und an ihm auch nicht zu sterben.
Positiv ausgedrückt haben sie das Vertrauen ins Leben, dass ihnen nur das begegnet, was für ihr Leben oder für den Weg, auf dem sie sich befinden, wertvoll und förderlich ist. Diese Menschen sind entweder gläubig, haben tiefes Gottvertrauen oder wissen sich durch eine höhere Macht, wie durch Engel oder andere lichte Wesenheiten wunderbar beschützt und geführt.
In einer anderen Sichtweise ist jede Krankheit ein Ausdruck der Seele, die uns vermittelt, wo es innerliche Konflikte gibt oder wir seelisch noch nicht heil sind. Das gilt für einen Schnupfen oder eine Grippe genauso, wie für Krebs oder Covid-19. Die sich körperlich zeigenden Symptome sind dann die Entsprechung für den Konflikt. Auch hierüber habe ich bereits einen Beitrag verfasst (siehe hier).
Meiner Ansicht nach sind deshalb gerade jene Menschen am Ängstlichsten, die das Leben eher rational oder verstandesorientiert betrachten. Sie glauben nicht an irgendeine höhere Macht und sind nicht spirituell. Somit vermögen sie an einer Erkrankung oder in einer Lebenskrise keine Sinn oder Bedeutung für ihr Leben zu sehen. Für sie geschehen diese Ereignisse rein zufällig und ohne persönlichen oder gesamtgesellschaftlichen Bezug.
Was andere als Fügungen des Schicksals oder als göttliche Bestimmung erklären, ist für solche Menschen nicht wissenschaftlich nachvollziehbar. Doch damit fällt es ihnen sicherlich schwerer, solche Ereignisse oder Krisen im Leben zu akzeptieren: „Wäre ich mal nicht zu dieser Feier gegangen, wäre ich der infizierten Person nicht so nahe gekommen. Wäre ich doch nicht in den Urlaub geflogen!“ So oder ähnlich könnten die Gedanken immer wieder um das eine Thema kreisen.
Für mich ist dies die Folge einer jahrhundertelangen Entwicklung, welche das Metaphysische, das wissenschaftlich Unerklärbare, das Geistige oder das Göttliche immer weiter verdrängt hat. Der Mensch ist dadurch verstärkt zu einem rationalen und Vernunft orientierten Wesen geworden, weshalb ihn Krisen oder andere Schicksalsschläge stärker verunsichern und dem Leben gegenüber hilfloser machen. Dann stellen sich die Betroffenen sicherlich vergleichbare Fragen: warum bin gerade ich an Krebs erkrankt? Warum habe ich den schlimmen Autounfall gehabt? Warum hat sich meine Frau von mir getrennt? Warum habe ich den Job verloren, in dem ich doch so erfolgreich war?
Für mich gibt es deshalb zwei sehr unterschiedliche Sichtweisen auf die Welt, in der wir leben. Auf der einen Seite ist da die empirische Wissenschaft, die bemüht ist, die Welt ganz sachlich zu beschreiben. Dadurch will sie ein möglichst sicheres und zuverlässiges Bild zeichnen, welches unantastbar ist. Doch auf der anderen Seite ist die Spiritualität, wie ich es mal nenne, die Lehre von einer Welt, in der alles einen geistigen Ursprung hat und wir in unserer Geistigkeit miteinander, mit Gott oder der Schöpfung, die unser Leben hier im Irdischen lenkt, eins sind.
Dabei zeigt die Spiritualität etwas auf, was die empirische Wissenschaft aus meiner Sicht niemals vermag: die Fragen nach dem „warum“ im Leben zu beantworten. Das sind Fragen nach einem Sinn oder einer Bedeutung von jenen Ereignissen, die bisher als zufällig betrachtet wurden. Für mich sind Wissenschaft und Spiritualität wie zwei Seiten einer Medaille. Beide gehören sie zu unserem Leben. Somit haben für mich beide Seiten ihre Berechtigung und ergänzen sich zu einer vollständigen Weltsicht.
Bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein waren Wissenschaft und Spiritualität noch vereint. Beispielsweise war jeder Astronom auch Astrologe oder umgekehrt. Die Wissenschaft verfolgte auch noch das geozentrische Weltbild, in dem die Erde im Mittelpunkt des Kosmos stand und die Sonne und andere Planeten sich um die Erde drehen.
Als Kopernikus, Galilei und andere Wissenschaftler herausfanden, dass die Sonne im Mittelpunkt steht und die Erde um die Sonne kreist, begannen sich diese beiden Weltbilder voneinander zu trennen. Natürlich wehrte sich die Kirche sehr heftig gegen die neue Sichtweise, weil der Mensch nun nicht mehr im Mittelpunkt der Schöpfung stand und damit auch nicht mehr die „Krone“ der Schöpfung sein konnte.
Mit Kant und dem Rationalismus kam zudem etwas in Bewegung, welches das Göttliche immer weiter verneinte. Heute spielt das Übernatürliche oder das Spirituelle in unserer Gesellschaft keine wesentliche Rolle mehr, sondern ist nur noch zu einer Privatangelegenheit degradiert. Aus meiner Sicht ist an Stelle von Gott sogar das Geld gesetzt worden und wurde damit mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens.
Denn ohne Geld bist Du nichts, hast Du nichts und kannst Du Dir nichts leisten. Für mich wurde Geld bzw. der Konsum sogar zu einer Ersatzreligion. Dies geht so lange gut, bis wir erkennen, das uns Geld nicht wirklich glücklich macht und das Konsumieren vielleicht nur eine innere Leere ausfüllt, welche durch die Ausrichtung auf das rein Rationale in uns entstanden ist.
Nun möchte ich die empirischen Wissenschaften und die Entwicklung zu einem rationalen Denken nicht schlecht reden. Sie hat uns auch Gutes gebracht. Die Menschheit hast sich von einem religiös geprägten Weltbild gelöst und die Natur rational erforscht. Dadurch ist mehr Klarheit entstanden und wissenschaftliche Wahrheit konnte von Aberglauben getrennt werden. Das war für mich ein großer Fortschritt in der Menschheitsentwicklung.
Sie hat auch unsere Lebensweise bedeutsam verbessert. So erleiden die Menschen heutzutage weniger Hunger, verrichten weniger schwere Tätigkeiten, wir können mit der ganzen Welt kommunizieren und in kürzester Zeit um die Erde reisen. Doch bei all diesen Vorteilen, bleibt die Wissenschaft für mich eine Einseitigkeit. Es ist eben, wie oben schon beschrieben, nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seiten, die für mich genauso zum Leben dazugehört, ist allerdings bei vielen Menschen verloren gegangen.
Eine spirituelle Erfahrung
Die Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Spiritualität ist für mich auch das zentrale Thema des amerikanischen Kinofilms „Contact“ aus dem Jahre 1997. Die Hauptrolle spielt die Radio-Astronomin Dr. Eleanor Arroway, die nicht an Gott glaubt, sondern nur an das, was man beweisen kann. Ihr Forschungsgebiet ist das Projekt SETI, bei der es um die Suche nach außerirdischen Leben im All geht. Eines Tages hat sie Erfolg und empfängt aus Richtung des Sterns Vega Signale, die keinen natürlichen Ursprung haben können und deshalb von außerirdischen Wesen gesendet sein müssen.
Es stellt sich heraus, dass diese Signale eine Konstruktionszeichnung für eine große Maschine enthalten. Alle nehmen an, dass man mit ihr zu den Außerirdischen fliegen kann, welche dies gesendet haben. Das Objekt wird mit einem enormen finanziellen Aufwand gebaut und Eleanor Arroway erhält die Möglichkeit, diese Reise zu unternehmen. Sie erlebt einen fantastische Flug durch die Galaxie und landet in einer wundervollen paradiesischen Umgebung, die sich für mich wie die Astralwelt anfühlt. Dort begegnet ihr eine Wesenheit, die sich als ihr vor vielen Jahren verstorbener Vater zeigt.
Die Reise hin in diese Welt und wieder zurück, die für sie 18 Stunden zu dauern scheint, ist für sie absolut real und berührt sie tief in ihrem Inneren. Doch als sie wieder zurück ist, muss sie feststellen, das in der realen Welt nicht eine Sekunde verging. Da es über die ganze Reise keine Aufzeichnungen gibt, kann sie diese nicht beweisen. Für die Wissenschaft und die Politik hat sie deshalb nicht stattgefunden und betrachten ihre Erlebnisse als Halluzinationen.
Daraufhin wird ein Untersuchungsausschuss gebildet, der anhand aller vorhandenen Fakten und Tatsachen klären soll, was genau geschehen ist. Eleanor Arroway wird als Hauptzeugin befragt, wie sie als Wissenschaftlerin dazu steht. Hier befindet sich in einem tiefen inneren Konflikt, denn als reine Wissenschaftlerin kann sie nicht empirisch erklären, was sie erlebt hat. Gleichzeitig ist es für sie aber auch keine Illusion gewesen.
Darum antwortet sie auf die Frage, ob es aus ihrem wissenschaftlichen Sachverstand heraus wirklich geschehen ist: „Besteht die Möglichkeit, dass es nicht passiert ist? Ja, Ich kann als Wissenschaftlerin nicht umhin das zuzugestehen.“
Doch als der Fragesteller weiter nachhakt, warum sie dies nicht als eine Halluzination abtut und klarstellt, dass diese Reise doch nicht stattgefunden hat, erwider sie ergänzend: „Weil ich das nicht kann! Ich hatte ein Erlebnis, ich kann es nicht beweisen. Ich kann es nicht mal erklären. Aber alles was ich ganz genau weiß, als Menschen, einfach alles was ich bin, sagt, es ist wirklich passiert.
Mir wurde etwas geschenkt, etwas Wunderschönes, das mich in alle Ewigkeit verändert, eine Vision des Universums, die uns ohne jeden Zweifel sagt, wie klein und unwichtig und wie ungewöhnlich und wertvoll wir alle sind. Eine Vision, die uns sagt, dass wir Menschen zu etwas gehören, das viel größer ist, als wir, dass wir nicht allein sind, keiner von uns, nicht eine Sekunde. Ich wünschte, das ich das teilen könnte, ich wünschte, dass jeder Mensch und sei es auch nur für einen Moment, sie fühlen könnte, diese Hochachtung und Demut, und die Hoffnung.“
Für mich hat sie eine spirituelle Erfahrung gemacht, die sie innerlich tief berührte und veränderte. Sie wirkte nach dieser Erfahrung auch offener und lebendiger. Ein solches Erlebnis zeigt sich mir im Wesentlichen in einer Einheitserfahrung. Religiöse Menschen sprechen auch von einer Gottesverschmelzung oder einer mystischen Vereinigung. Sie kann unter anderem in einer Meditation erfahren werden oder in einem besonderen Moment in der Natur, wie z.B. auf dem Gipfel eines Berges.
Da ein solches tiefes Erlebnis etwas in uns verändert, uns mehr zu uns selbst führt und bewusster macht, ist es für uns wirklich. Wir brauchen dann auch keinen Beweis mehr seitens der Naturwissenschaften, damit mir wissen, dass es geschehen ist. Die Folge eines solchen Erlebnis kann sein, dass sich unser Leben komplett wandelt. Bisher eher oberflächliche Beziehungen können auseinandergehen, neue tiefere Beziehungen finden sich. Auch können sich grundlegende Lebenseinstellungen ändern. Ein solches Erlebnis ist immer positiv und macht uns reifer, wahrhaftiger, ruhiger und vertrauensvoller.
Was ist die Wahrheit?
In dem Austausch mit einem rational denkenden Menschen über die Corona-Leugner, bekam ich u.a. folgende Antwort: „Man hat ein Recht auf seine Meinung, aber nicht etwas wissenschaftliches belegbares zu leugnen.“ Dies hat mich zum Nachdenken gebracht. Zum einen ist da ein Widerspruch. Denn wenn ich meine Meinung frei äußern darf, dann darf ich auch wissenschaftliche Aussagen leugnen. Sonst stimmt für mich die erste Aussage nicht.
Zum anderen wird hier aus meiner Sicht die Wissenschaft und ihre Wahrheit zu einer „heiligen Kuh“ erhoben. Das ist durchaus nachvollziehbar, wenn sie die einzige Ordnung im Leben darstellt, an der man sich deshalb besonders klammert, um ansonsten nicht im Sumpf von Unwahrheiten und Aberglauben zu versinken. Andersherum kann es natürlich durchaus sein, dass die anderen ihre Wahrheit zu subjektiv sehen, weil sie eine durch Wissenschaft bewiesene Realität aus irgendwelchen Gründen nicht akzeptieren möchten.
Doch was ist die wirkliche Wahrheit? Was ist nun richtig? Für mich lebt jeder Mensch in seiner eigenen Wahrheit und auch in seiner eigenen Welt. Erkennen wir dies, dann wissen wir, dass es nichts bringt, Mitmenschen von unserer Wahrheit lautstark zu überzeugen. Alle unsere individuellen Wahrheiten sind dann auch nur Teilaspekte einer umfassenden Wahrheit, die wir Gott nennen oder einer höheren Schöpfungsquelle zuordnen.
Eine solche Sichtweise möge uns auch dazu bringen, immer wieder über unseren eigenen Tellerrand oder unsere Wahrheitsblase hinauszuschauen, um zu erfahren, was andere so denken. Es könnte ja sein, dass das, was ich dort erfahre, für mich ebenfalls interessant ist und mich auf meinem Erkenntnisweg über die Welt weiterbringt.
Dann haben wissenschaftliche und spirituelle Menschen etwas Gemeinsames: sie suchen beide nach der Wahrheit. Für mich wäre dies schon ein Anfang, um zu versuchen auf einander zuzugehen. Im Moment sehe ich in den gesellschaftlichen Diskussionen viel Spaltung. Gegensätzliche Meinungen stoßen heftigst aufeinander. Jeder verurteilt den anderen und behauptet steif und fest Recht zu haben.
Aber so lange wir noch versuchen, Recht haben zu wollen oder glauben, unsere Meinung ist die einzig Richtige, werden wir nie zu einem Konsens finden. Doch das ist sehr wichtig, denn nur, indem wir uns mit den Meinungen oder Wahrheiten unserer Mitmenschen auseinandersetzen und sie versuchen in unser Weltbild zu integrieren, entwickeln wir uns weiter. So geschah es bei Eleanor Arroway durch ihr spirituelles Erlebnis.
Das lässt sich gut verdeutlichen anhand der dialektischen Methode des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel beschrieben mit den Ausdrücken „These, Antithese und Synthese“. Zuerst wird eine These aufgestellt. Sie kann rein wissenschaftlich sein oder sich um eine philosophische Erkenntnis handeln. Dazu stellt jemand eine Antithese auf, mit der die These auf Richtigkeit geprüft werden kann.
Die Synthese ist dann die Verschmelzung von beiden Thesen. Sie ist eine neue Sichtweise, die anschließend als neue These auch wieder überprüft werden mag. Die Offenheit, mit der wir immer wieder unsere „Thesen“ überprüfen sollten, entspringt für mich deshalb aus der Möglichkeit heraus, dass sie noch nicht die Wahrheit letzter Schluss ist. So ist es im Prinzip auch bei der Wissenschaft. Dort stellen Forscher Thesen auf, die anschließend empirisch geprüft werden. Daraus entwickeln sich neue Thesen und so kommt sie der messbaren Wahrheit immer näher.
Deshalb ist es mein Wunsch, dass die Menschheit offener wird für die unterschiedlichsten Wahrheiten in dieser Welt und dadurch wieder zu einem ganzheitlicheren Denken. Dadurch wäre sie auch in der Lage, Krisen wie die aktuelle Corona-Pandemie, besser zu bewältigen.